Ein Kratzer kommt selten allein

Ein Kratzer kommt selten allein

Patina und Authentizität

“The first cut is the deepest” hat der britische Musiker Cat Stevens in den 1960ern geschrieben und damit die Enttäuschung der ersten großen Liebe beschrieben. Erste Schnitte können wirklichen Schaden anrichten. Auch in Küchen. Die Angst vor dem ersten Kratzer auf Arbeitsflächen ist ein Phänomen, das sich unter Küchenbesitzenden verbreitet hat, vor allem seit Küchen als weitaus mehr als Funktionsräume fungieren und sich selbstbewusst in großzügige Wohnräume öffnen. Vielmehr sind sie der absolute Mittelpunkt eines jeden Zuhauses geworden – und ihre Arbeitsplatten derweil gestaltbare Oberflächen, auf denen nicht nur geschnitten, frittiert und einbalsamiert wird, sondern auch präsentiert, verhandelt und geschlemmt. Die Anforderungen an Arbeitsplatten sind also enorm und so hoch wie bei kaum einem anderen Element der Innenarchitektur. Also stellt sich die Frage: Darf einer Arbeitsplatte angesehen werden, das auf ihr gearbeitet wird? Patina ja oder nein?

Auch der Bartresen der raumprobe ist die Anlaufstelle für Gespräche geworden und jede Expertenrunde endet dort. Seine Arbeitsplatte wurde von KSV Natursteinwelt aus 30 mm starken Platten aus Cudicio Pietra Piasentina gefertigt, dessen vorkommen auf die Julischen Voralpen im äußersten Osten Italiens begrenzt ist. Der Kalkstein, der in unförmigen Findlingsblöcken von unvorhersehbarer Größe gefunden wird, weist eine mittlere bis feine Körnung auf, die von kristallweißen Adern durchzogen werden. Durch seine Farbgebung in Grau- und Brauntönen schafft der exklusive Naturstein eine vielseitige Grundlage für weitere Materialien und Farbtöne der Umgebung. Nicht nur in der Küche und dem gesamten Innenraum, sondern auch im Außenbereich einsetzbar, entscheidet das Oberflächenfinish (z.B. Rutschfestigkeit, Fleckenresistenz, Schmutzanhaftung etc.) über die Verwendungsmöglichkeit an vertikalen und horizontalen Flächen und über die Anmutung und Farbigkeit. 

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Monochrome Farbgebung bei raumprobe: Leicht Küche in LeCrobusier- Ton kombiniert mit Naturstein Cudicio Pietra Piasentina von KSV
Bild © raumprobe, Stuttgart

Im Gegensatz zur massiven Natursteinplatte weist die von Klöpferholz vertriebene Keramikplatte Laminam eine äußerst dünne Materialstärke von nur 3 (bis 20) mm auf, was sie enorm leicht und gleichzeitig flexibel macht. Aufgrund einer durchschnittlichen Wasseraufnahme von 0,1 % sind die Oberflächen nicht saugfähig, was die Fleckenbeständigkeit erhöht. Zertifikate bestätigen das hohe Hygieneniveau. Darüber hinaus ist die dünne Keramik, die zu 100 % aus recycelbaren Rohstoffen hergestellt wird, lebensmittelecht, schnitt- und abriebfest und behält ihre Eigenschaften auch, wenn sie Hitze, Frost und UV-Strahlen ausgesetzt sind. Die großformatigen Paneele stehen nicht nur als horizontale Flächen, sondern auch für Rückwände oder komplette Verkleidungen zur Verfügung. Alle Platten sind in der Brandschutzklasse A1, mit Glasfaserkaschierung in der Brandschutzklasse A2 einsortiert. Somit eignen sie sich ab einer Materialstärke von 5 mm zudem für Anwendungen an der Fassade. Dazu stehen 100 Farben, 12 Kollektionen und 6 Oberflächenveredelungen zur Auswahl. 

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Concept House 2021: Laminam In-Side - Pietra Piasentina Grigio von Klöpferholz
Bild © Andrea Federici / Concept House 2021 / Oudeng Home Co. / Laminam

Von Holz Steinwandel als Furnier, Schnittholz, Massivholzplatte und Verbund-Holzwerkstoffplatte vertrieben, eignet sich auch dieses Holz als Arbeitsplatte, die jeder Küche ganz besonderen Ausdruck verleiht. Bei der Eisbuche wird die klassische, natürliche Maserung der Buche mit einer fast schon linearen Grafik überlagert, die auf einen komplett natürlichen Prozess ohne Zusatzmittel zurückzuführen ist. Sonne, Regen, Schnee und Eis zeichnen hierfür verantwortlich. Was mit einem Zufallsfund begann, lässt sich dank eines patentierten Reifeprozess kontrollieren und beträgt je nach Witterungsverlauf zwischen 18 und 24 Monate. 

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Eisbuche ist als Küchenfront und Arbeitsplatte einsetzbar: Eisbuche von Holz Steinwandel
Bild © Tischlerei Sommer

Wie so viele Natursteine und Steinwerkstoffe können auch kunstharzgebundene Marmor- und Quarzplatten sowohl als Bodenbeläge als auch als innenarchitektonische Elemente wie Wandverkleidungen und Küchenarbeitsplatten verwendet werden. Diese zwei Anwendungsbereiche verdeutlichen noch einmal mehr die hohen Anforderungen, die an Küchenarbeitsplatten gestellt werden. Für die Produktion der 54 Oberflächen umfassenden Kollektion an Marmorplatten verwendet das veronesische Unternehmen Quarella Marmor-Bruchsteine in unterschiedlichen Korngrößen (von Granulaten bis zu Pulvern) sowie Polyesterharzbindemittel, Farbpigmente und zum Teil weitere Zuschlagsmaterialien wie Glas, die unter Vakuumbedingungen in einer Vibrationsverdichtungskammer miteinander vermischt und verdichtet werden. Die Oberfläche ist in poliert, geschliffen, als Velvet Touch und Chenille erhältlich, somit pflegeleicht und beständig gegen Kratzer und Flecken. Neben großen Plattenformaten sind auch Fliesen in verschiedenen Maßen erhältlich. 

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Marmorplatten für Bodenbeläge, Wandverkleidungen und Küchenarbeitsplatten: Kollektion Urban Grain von Quarella
Bild © raumprobe, Stuttgart

Die Anwendungsgebiete von zwei- und dreidimensional thermisch verformbaren Mineralwerkstoffen wie Corian sind besonders vielseitig und reichen von Hotellerie, Gastronomie und Handel, Gesundheitswesen, Fassaden und Transport natürlich auch bis in Küche und Bad. Die Sonderlösungen von Corian Design an integrierfähigen Becken aus gleichem Material unterstreichen die individualisierbare Komponente des zu etwa einem Drittel aus Acrylharz und 2 Dritteln aus natürlichen Mineralien bestehenden Plattenmaterials. Aktuell stehen über 60 Farben zur Verfügung, darunter drei Varianten mit Terrazzooptiken, sowie einfarbige, transluzente und texturierte Töne. Der Mineralwerkstoff überzeugt nicht nur durch seine chemischen Eigenschaften (Brandschutz, Hygiene und Schmutzbeständigkeit, Lebensmittelechtheit), sondern punktet auch durch seine mechanischen: Es ist schlag-, kratz- und verschleißfest, langlebig und pflegeleicht und damit nutzerfreundlich.

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Die Einbauten sind in einem blassrosa Schichtstoff gefertigt. Die Oberschränke, ihre Türen sind aus Kastanienfurnier, reichen bis zur Decke und bieten dadurch zusätzlichen Stauraum. Die Arbeitsplatte ist aus robustem Mineralwerkstoff.
Bild © Philip Kottlorz

Nicht nur im übertragenen Sinne – etwas Vorteilhaftes ist auch unvermeidbar mit Nachteilen versehen – hinterlässt auch der eigentliche Wortsinn des Sprichwortes "Wo gehobelt wird, fallen Späne" Spuren, im konkreten Falle Schnitte und Kratzer und Kantenabplatzer. Abhängig vom Material sind diese teilweise reparabel oder sie hinterlassen eben Spuren. Patina. Je authentischer das Material, desto authentischer diese: Und sie erzählen Geschichten. Geschichten von Missgeschicken, aber auch von besonderen Abenden, gelungenen Speisen und tollen Gesprächen.
Materialbilder © raumprobe, Stuttgart



Jörg Schmitt


Innenarchitekt Jörg Schmitt ist seit 2013 als Projektleiter für den Materialpreis zuständig. Mit seiner Zuständigkeit für Art Direktion, Öffentlichkeitsarbeit und Homepage, wendet er sich zudem mit dem Materialnewsletter an die zahlreichen Mitglieder und Interessierten von raumprobe und führt Besuchergruppen durch die Materialwelt. Darüber hinaus ist der Innenarchitekt auch beratend tätig.

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