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Oh Tannenbaum!

Weißtanne: die heimische, klimafitte Holzart liegt im Trend

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum ... klingt es alle Jahre wieder. Zwar wird die Weißtanne (Abies alba) nur da als Weihnachtsbaum verwendet, wo sie zu Hause ist, nämlich im Mittelgebirge, aber dafür ist ihr Holz mittlerweile zu einem begehrten Produkt für den Möbel- und Innenausbau geworden. Außerdem kommt sie durch ihre tiefen Wurzeln mit dem Klimawandel besser klar als die Fichte.

Und auch wenn wahrscheinlich kaum ein Baum in Deutschland so viele Spuren in Märchen und Mythen hinterlassen hat wie die Weißtanne, kennen wir diese Baumart kaum. Das mag auch daran liegen, dass der Anteil der Weißtanne an der Waldfläche nur knappe 2 % ausmacht. Die tannenreichsten Bundesländer sind Baden-Württemberg und Bayern. Wissenschaftlich ist Abies alba eine europäische Nadelbaumart aus der Gattung Tannen (Abies) und gehört zur Familie der Kieferngewächse. Der Name geht auf die relativ helle, weißgraue Rinde zurück. Das beeindruckende Erscheinungsbild der Weißtanne mit ihren langen Stämmen ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der Baum im Volksmund auch als Edel-Tanne bezeichnet wird.

Einst im Schwarzwald fast ausgerottet, heute wieder gewürdigt
Dem Schwarzwald haben wohl die Römer seinen Namen gegeben: „Silva nigra“, der „schwarze Wald“. Ein damals unwegsames Gelände, von dichten Wäldern bedeckt und wilden Tieren bewohnt, das nur spärlich besiedelt war. Weil die Nadeln der Tannen und Fichten im Winter fast schwarz anmuten, wurde früher in der Holzwirtschaft auch das Nadelholz als „Schwarzholz“ bezeichnet.
Doch die reichen Tannenbestände alter Zeiten wurden schon früh zu Geld gemacht: Im 18. Jahrhundert war die Tanne das wichtigste Exportgut. Die langen „Holländertannen“ wurden den Rhein herunter bis nach Rotterdamm geflöst. Vor Ort wurden sie im Schiffsbau, aber auch zur Befestigung der sumpfigen Landschaft eingesetzt. In der Heimat verwendete man sie für den Hausbau, die Herstellung von Holzkohle, die Glasschmelze und den Bergbau. Das forderte seinen Tribut: Die Nachfrage war so groß, dass Mitte des 19. Jahrhunderts die Waldflächen im Schwarzwald stellenweise bis auf 10 % zurückgegangen waren. Zu dieser Zeit entstand der Begriff der Nachhaltigkeit. Das folgende staatlich verordnete Aufforstungsprogramm hinterließ im Schwarzwald allerdings eine Fichtenmonokultur. Das Problem dieser Monokulturen wurde beim Sturm „Lothar“ offensichtlich. Der starke Wind verursachte auf zahlreichen Hängen unter den Flachwurzlern einen wahren Kahlschlag. Eine Rückbesinnung zur Tanne lag auf der Hand. Auch, weil die tief wurzelnde Tanne mit dem fortschreitenden Klimawandel deutlich besser klarkommt – einerseits da das Pfahlwurzelsystem mit Senkwurzeln die Tanne sturmsicherer macht, zum anderen gelangen die tiefen Wurzeln auch bei Trockenheit mit wenig Niederschlag noch an Grundwasser.

Der Weg zum Trendholz
Als Nutzholz wurde die Tanne lange Zeit kaum gewürdigt. Nicht nur beim Bauholz wurde Fichte und Tanne (FI/TA) in der Sortierung gemischt und nicht extra unterschieden. Da sich die beiden Hölzer in vielen Eigenschaften ähneln – leicht und weich, gleichzeitig gut belastbar und biegsam – ist nach dem Aufschnitt im Sägewerk selbst für den Fachmann eine Unterscheidung nicht ganz einfach. Trotzdem ist es inzwischen gelungen, der Holzart ein deutlich hochwertigeres Image zu verschaffen als noch vor einigen Jahren. Dabei war speziell das österreichische Vorarlberg in den letzten 20 Jahren ein Trendsetter. Heute ist das Holz ein begehrtes und eigens sortiertes Produkt, bei dem sich der Preis deutlich von der Fichte entkoppelt hat. Die Nachfrage ist inzwischen so groß geworden ist, dass die edelsten Stämme und daraus gesägte Bretter sehr begehrt geworden sind.

Vorteile: Kein Harz und weniger Vergilbung
Im Vergleich zur Fichte ist Tannenholz harzfrei. Durch diesen entscheidenden Unterschied eröffnet sich für das Tannenholz ein größeres Einsatzgebiet. So besteht beispielsweise im Saunabau auch bei hohen Temperaturen nicht das Risiko, dass Harzgallen auslaufen und den Erholung suchenden Saunanutzer festkleben. Die harzfreie Qualität ist natürlich auch bei massiven Dielenböden von großem Vorteil. Durch die harzfreie Qualität kann Tannenholz auch deutlich einfacher beschichtet werden als Fichtenholz. Zudem ist das Holz der Weißtanne im Vergleich zur Fichte resistenter gegenüber Feuchtigkeit, was den Einsatz im Wasserbau und zur Bodenbefestigung erklärt. Ein weiterer Vorteil der Weißtanne ist die deutlich geringere Neigung zum Vergilben. Behandelt man Dielenböden noch dazu mit weißer Seife, bleiben sie lange Zeit sehr hell. Einen starken Kontrast bilden dann Äste, die als Totholz fast schwarz erscheinen. Philip Matzeder, der bei Häussermann für die Architektenberatung zuständig ist, charakterisiert das wohlwollend als „typische Holzmerkmale, die keine Holzfehler sind.“ Häussermann ist ein Hobelwerk aus Sulzbach an der Murr mit mehr als 100 Jahren Erfahrung in der Massivholzverarbeitung.

Anwendung – vielfältiger Einsatz mit Spezialitäten
Als Bau- und Konstruktionsholz, für Innenausbauten, Dielenböden und Möbel, für Dachschindeln oder zur Spanplatten-Herstellung wird Tannenholz eingesetzt. Darüber hinaus dient Tannenholz auch zur Herstellung von Verpackungsmaterial oder von Zellstoff und Papier. Auch zahlreiche Spezialisten schätzen die Optik und Eigenschaften der Holzart: Im Musikinstrumentenbau wird Tannenholz als Resonanz - boden und zur Herstellung von Orgelpfeifen verwendet. Ein junger Exportschlager aus dem Schwarzwald sind kleine, astfreie Brettchen, die in Japan für den Totenkult Verwendung finden.
Einen wahren Hype in der modernen Architektur haben raumlange, massive Dielen ausgelöst. Für Fotos in den Hochglanzmagazinen oder auf Messeständen werden die „langen Latten“ gerne auch in nahezu astfreier Qualität verlegt. Mit diesen exklusiven Sortierungen wird die helle, edle Anmutung zusätzlich unterstrichen.

Weißtanne – eine weise Entscheidung
Als Holz „von hier“ ist die heimische Weißtanne ein nachwachsender Beitrag zur Nachhaltigkeit. An wüchsigen Lagen können Tannen 50 bis 55 m hoch und bis 600 Jahre alt werden. Dabei produzieren sie wesentlich mehr Holz als beispielsweise die Fichte. Im Rahmen des „Waldumbaus“ könnte sie in Zukunft eine klimafitte Baumart werden und die Fichte in großen Bereichen Mitteleuropas ersetzten. Allerdings muss sie gegen Wildverbiss geschützt werden. Auch wenn die technologischen Eigenschaften der Weißtanne denen der Fichte weitgehend entsprechen, so hat die Holzart doch markante Vorteile und liegt mit der hellen, natürlichen Farbe voll im Trend.

Botanischer Name: Abies alba

Gattung: Tannen (Abies)

Familie: Kieferngewächse (Pinaceae)

Verbreitung: südliches Mitteleuropa und Südosteuropa

Höhe: bis zu 65 m – gehört damit zu den höchsten Bäumen Europas

Stamm-Durchmesser: kann bis 3 m dick werden

Höchstalter: 500 bis 600 Jahren

Benadelung: am Ende sind die Nadeln stumpf und nicht stechend.

Merke: Die Fichte sticht, die Tanne nicht.

Frucht: Die Weißtanne hat männliche und weibliche Blütenzapfen. Die walzenförmigen Zapfen stehen aufrecht an den Ästen und werden bis zu 16 cm lang und 3 bis 5 cm dick. Die Samenschuppen fallen ab, wenn sie reif sind. Die Zapfenspindel kann noch mehrere Jahre am Baum verbleiben, ehe sie abfällt. Daraus folgt: Komplette Zapfen am Boden sind höchstwahrscheinlich Fichtenzapfen.

Rinde: Ab einem gewissen Alter wird die Rinde silber- bis weißgrau und zerreißt in eckigen Schuppen

Wurzelwerk: Pfahlwurzelsystem mit Senkwurzeln
Holzeigenschaften: harzfrei und von relativ gleichmäßiger Struktur, gelblich weiß bis grauweiß, weich, elastisch, trocknet schnell, schwindet wenig und arbeitet nur wenig.

Beitrag in der BM, Konradin Verlag, Ausgabe 11/20

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