Offenheit, Flexibilität und eine vielschichtige Arbeitsathmosphäre

Offenheit, Flexibilität und eine vielschichtige Arbeitsathmosphäre

Interview mit Martin Haas

Beim Thema Nachhaltigkeit am Bau kommt man nicht um das Architekturbüro Haascookzemmrich Studio 2050 herum. Seit dem Projekt Alnatura Campus in Darmstadt ist das Architekturbüro aus Stuttgart bekannt für seinen Materialeinsatz und seine nachhaltige Architektur. Auch bei raumprobe recherchieren die Planer von Haascookzemmrich gerne, weshalb wir sie zum Interview gebeten haben. Headerbild © Roland Halbe

Besonders seit dem Alnatura Campus steht Haascookzemmrich für äußerst nachhaltigen Materialeinsatz am Bau. Die Materialien, die Ihr benutzt habt, sind alte Bekannte: Holz, Lehm und recycelte Materialien. Wie erklärt Ihr Euch den Hype um Euer Projekt?



Klassische, traditionelle Baustoffe, wie hier verwendet, verbindet man meist mit kleinen Räumen oder als innenräumliches Gestaltungsmittel. Die Umsetzung der Alnatura Arbeitswelt fasziniert, da wir keinerlei räumliche Abstriche in Kauf nehmen mussten, und es trotz der traditionellen Materialien zeitgemäß wirkt. Bild unten © Roland Halbe

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Der Kunde Alnatura ist ein deutscher Bio-Lebensmittelhersteller mit der Message „Sinnvoll für Mensch und Erde“. Wie stark hat Euch das in der Planung beeinflusst?



Beim Unternehmen Alnatura und uns als Planern bestand eine große Deckungsgleichheit bei den Nachhaltigkeitskriterien als wesentlicher Grundsatz für die Architekturentwicklung.

Neben dem gemeinsamen Prozess, in dem wir uns gegenseitig befruchtet haben, ist auch sehr positiv und förderlich gewesen, dass Götz Rehm sehr viele Entscheidungen direkt mitgetragen hat. Bild © Roland Halbe

Ist das Material Stampflehm ein Material, mit dem Ihr gerne in Verbindung steht? Welche Eigenschaften bringt es mit sich, die für Euch interessant sind?



Absolut gerne! Stampflehm hat eine große haptische Qualität, liefert Emotion und Dauerhaftigkeit sowie eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit in den unterschiedlichen Maßstäben der Betrachtung (aus der Ferne wie aus der Nähe). Das Material ist wenig pflegeintensiv, wartungsfreundlich, farbbeständig und strahlt eine Natürlichkeit aus. Zusätzlich hat es eine nicht unwesentliche reinigende Wirkung, entnimmt der Luft Schad- und Schwebstoffe und sorgt für eine gleichbleibende Luftfeuchtigkeit. Bild © Roland Halbe

In dem Projekt für Alnatura ging es um die Arbeitsräume und die Art des Arbeitens in großen Unternehmen. Habt Ihr bei dem Projekt auch etwas für Euer eigenes Arbeiten und Eure Räume gelernt oder sogar eure Arbeitsweise auf die Alnatura Arbeitswelt übertragen?



Beiden Arbeitswelten liegen die Grundwerte Offenheit, Flexibilität, Kommunikation, Tageslicht, Ausblick und eine vielschichtige Arbeitsathmosphäre zugrunde, eben ein zeitgemäßes Arbeitsklima.
Diese Grundwerte leben wir im Büro wie auch in unseren Projekten bereits lange und haben diese vielfach eingesetzt. Die freundliche Wohlfühlathmosphäre wurde von allen, hier auch von den Alnatura- Mitarbeitern, gerne angenommen. Bild © Roland Halbe

Ihr habt außerdem Material aus dem Tunnelaushub des Bahnprojekts Stuttgart 21 verwendet. Stuttgart liegt knapp 200km entfernt von Darmstadt. Wie stark beeinflusst der Standort ein Bauprojekt, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht?

Transportkosten sind natürlich in der Bilanz bezüglich der Nachhaltigkeit eines Projekts ein entscheidender Faktor.

Der vorgefundende Boden Darmstadts und seiner Umgebung waren jedoch für die Herstellung des Stampflehms keine gute Fundgrube. Wir haben den Tunnelaushub von S21 verwendet aufrund der guten Verfügbarkeit, der positiven Nachverwendung von Abfallmaterial und aufgrund des schönen Farbtons.

Beim nächsten Bauprojekt würden wir aber immer örtliches Material zur Herstellung des Lehms bevorzugen. Bild © Haascookzemmrich Studio 2050

Ihr seid bereits an dem nächsten Bio-Projekt dran. Das neue Besucherzentrum von Rapunzel Naturkost GmbH soll bis 2022 in Legau entstehen. Können wir da ähnlich Spektakuläres erwarten wie beim Alnatura Campus?

Die Aufgabenstellung ist eine ganz andere, da es hier um ein Besucher- und Empfangsgebäude geht, was eine ganz andere architektonische Typologie verlangt. Zudem ist das Spektakel nicht das gesuchte Leitmotiv unserer Architektur, sondern die Akzeptanz durch den Nutzer.



Modell Rapunzel Besucherzentrum, Legau.
Bild © Haascookzemmrich Studio 2050

Ihr seid Mitbegründer und Teil eines Netzwerks, das sich für die Entwicklung und Umsetzung von nachhaltiger Architektur einsetzt, der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. In wie fern stimmt Ihr der These zu, dass gute Architektur, allein durch ihre lang andauernde Relevanz, bereits nachhaltig ist?


Dauerhaftigkeit in der Architektur ist in der Nachhaltigkeitsdebatte ein unterschätzter Faktor. Für eine gute Ressourcenbilanz aber zwingend erforderlich. Normalerweise werden Gebäude mit 25 Jahren im Betrieb betrachtet. Die eingebundene Energie im Gebäude selbst ist jedoch so bedeutend, dass erst über eine dauerhafte Nutzung die Errichtung überhaupt gerechtfertigt werden kann. Die Qualität von Architektur ist für die Dauerhaftigkeit eines Gebäudes fundamental. Sie wird von Nutzern und Mitmenschen geschätzt und sorgt für eine hohe Akzeptanz.

Musikschule und Konzertsaal in Ventspils, Lettland von 2019

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Bild © Adam Mork
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Bild © Adam Mork
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Bild © Adam Mork
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Bild © Adam Mork
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Mit dem Alnatura Campus in Darmstadt ging Haascookzemmrich seit der Fertigstellung 2019 nicht zuletzt wegen des spannenden Materialeinsatzes durch die Presse. Doch die Architekten und Planer des Stuttgarter Büros haben im vergangenen Jahr noch mehr geschaffen: Die Musikschule und Konzertsaal in Ventspils in Lettland. Die Musikschule bietet unterschiedliche Übungsräume, für die Öffentlichkeit zugängliche Aufführungsräume, einen klassischen Konzertsaal und einen kleineren Theatersaal. Außerdem beherbergt das außergewöhnliche Gebäude eine Musikbibliothek und ein Amphitheater.

Das Material, das wir brauchen, das uns bewegt und von dem wir träumen ist ein CO2 senkendes, freiformbares, dauerhaftes Material, das rückstandslos kompostierbar ist.

Bild © Adam Mork


Die Personen dahinter sind:
David Cook, Martin Haas und Stephan Zemmrich
Bild © Frederik Laux

 

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Die Erkenntnis, dass Architektur eine wesentliche Rolle beim Schutz unserer natürlichen Ressourcen spielt, ist unser täglicher Antrieb. Es gilt Mensch, Raum und Umwelt besser in Einklang zu bringen. Als Architekten sehen wir uns mit einer neuen Einstellung in Bezug auf das Bauen konfrontiert: viele Bauherren erwarten von uns, dass wir umweltfreundlich entwerfen, planen und bauen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem wirtschaftlichen und verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Rohstoffen.




 

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