Die Collage ist kraftvoller

Die Collage ist kraftvoller

Interview mit Werner Aisslinger

Werner Aisslinger hat Hotels wie The Circle in Köln und das Bikini in Berlin gestaltet. Im Gespräch verrät der Produktdesigner, weshalb Storytelling subtil wirken muss und wie man Materialien und Farben collagiert. 
Headerbild © Steve Herud

Herr Aisslinger, mit Ihrem Team gestalten Sie Uhren, Brillen, Leuchten, Möbel, Messestände, Ausstellungen bis hin zu Hotels. Das Hotel Daniel, das Michelberger, das Bikini Berlin und The Circle für die 25hours Kette oder The Hobo in Stockholm tragen Ihre gestalterische Handschrift. Was schätzen Sie daran, Hotels zu gestalten?



Hotels sind Räume, die für ein oder zwei Nächte, zu einem kleinen Zuhause werden. Aber man kann Hotels viel intensiver gestalten, denn dort wollen Menschen überrascht werden. Nur ein Beispiel: eine Decke schwarz zu streichen, kann einen super Effekt haben, weil das wie im Theater wirkt. Kein Mensch würde sich zuhause die Decke schwarz streichen – im Hotel kann man es machen. Man kann die Gäste dort mitnehmen auf eine exotische Innenarchitektur-Experience. Das ist ein spannendes Spielfeld für uns Gestalter. Bild © Jens Bösenberg

Die Hotels von Studio Aisslinger gelten als Trendsetter – was sind wichtige Themen für die Zukunft?
 

Wir fragen uns gerade, ob ein Hotel nicht auch vertikal funktionieren kann? Dass auf allen Ebenen etwas passiert und man auch die Dächer als Terrassen nutzt. Die Qualitätsfrage bei den Materialien wird uns weiter beschäftigen – da geht die Tendenz in Richtung „echt“. Die Auseinandersetzung mit Airbnb ist allerdings das größte Thema. Da sind wir auch mit einer Hotelgruppe dran, wie wir Airbnb mit einem Hotel verschmelzen und diese private, persönliche Note hineinbekommen können. Das gehört zur Experience, ein Thema, was über allem steht.

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The Circle in Köln ist von den futuristischen Utopien der 1960er Jahre inspiriert. Bild © Patricia Parinejad

Was ist Ihr genereller Ansatz für Farbe und Material?


Wir verstehen uns als DJs und Kuratoren, die eine Collage, Experience und Storytelling kreieren. Eine Collage hat mehr Kraft als eine Stilwelt. Wie kann ich es schaffen, dass sich ganz viele, wilde Materialien und bunte Farben treffen und es trotzdem matcht?

Als DJs kümmern wir uns drum, dass alles ein Bild ergibt. Wir interessieren uns natürlich für die Details – hier der Holzfußboden, da der Stein – aber am Ende muss man zurücktreten und es aus der Distanz beobachten. Bild © Studio Aisslinger

Bauen Sie Mock-up-Räume, um die Materialien zu testen?


Im Vertrag gibt es ein oder zwei Musterzimmer, die manchmal zwei oder drei Jahre vor Vergabe an die Ausbaufirmen gebaut werden. Für uns ist das ein gutes Korrektiv, um auszuprobieren, ob das Bett tiefer sein muss, die Schreibablage länger. Darüber hinaus wird aber nichts investiert, das ist alles budgetär sehr limitiert. Wir versuchen in letzter Zeit auch, Styling anzubieten: am Schluss zu überlegen, wo eine Pflanze steht oder wo es ein nettes Kissen gibt. Wir müssen unsere Auftraggeber erst schulen, dass der finale Touch wichtig ist, weil das der Gast jahrelang sieht. Das macht aber die Qualität am Ende aus.

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So viel Storytelling und Experience wie möglich – im The Circle in Köln. Bild © Steve Herud

Sie arbeiten oft mit außergewöhnlichen, authentischen Materialien in Ihren Hotels – etwa einer Kupferplatte am Bettkopf im Bikini Berlin. Wie gehen Sie mit dem Thema Patina und Gebrauchspuren um?



Mit einer Kette wie 25hours kann man darüber sprechen. Sie wollen lieber geöltes Massivholz, auch wenn es nach ein paar Jahren ein bisschen abgerockt ausschaut. Die angesprochene Kupferplatte haben die Monteure bereits so angefasst, dass gleich zu Beginn Gebrauchspuren drauf waren. Das finden wir aber gut. Wir versuchen immer echte Materialien zu verwenden – im Gegensatz zu den Budgethotels, wo man überwiegend Laminate findet. Ich selbst gehe auch lieber in eine alte Brasserie in Paris als in einen hypermodernen Designtempel. Klassiker mit Patina. Die meisten Investoren tendieren aber leider aus Maintenance-Gründen zur „Kärchervariante“. Dabei sieht ein stark benutzter Laminatboden dreißigmal schlimmer aus als ein abgelaufenes Parkett. Gute Fliesen, gute Holzböden lohnen sich immer und der Lebenszyklus ist gar nicht kürzer als der von Laminaten. Das sind Lernprozesse. Bild © Studio Aisslinger

Sie stehen ja für ein Design, das materialgetrieben ist. Wie stark ist der Entwurf für ein Hotel durch das Material bestimmt?


Materialien sind Budgetthemen. Wir wollen schöne Materialien dort einsetzen, wo der Gast sie auch sieht. Der kreative Umgang mit Budgets für Material und Einrichtung ist wichtig. Man muss irgendwo an Materialien sparen, damit man woanders einen Blickfang kreieren kann. Wenn ich eine Wand in Rohbeton lasse, dann kann ich das Geld wieder in einen schönen Teppich investieren. Wenn man für das Budget verantwortlich ist, kann man Schwerpunkte setzen. Da ist sehr viel Musik drin.

Gibt es ein Material, das wir in jedem Ihrer Hotels finden?


Wir finden, dass ein gewisser Prozentsatz an Holz oder Echtfurnier wichtig ist. Gerade haben wir ein Musterzimmer entwickelt, in dem kein Holz drin war. Da haben wir gesagt: „Das geht nicht. Da muss wieder Holz rein.“ Wir legen sehr viel Wert auf Fliesen. Gerne probieren wir etwas Neues aus wie die 3D-Tiles. Dekoratives, atmosphärisches Licht ist fast das Wichtigste. Viele Lichtquellen, die unterschiedliches können, einzusetzen. Eigentlich ist alles wichtig – etwa, wenn ich im Bett liege und an die Decke schaue: Was sehe ich da? Bild © Studio Aisslinger

Werner Aisslinger, 1964 in Nördlingen geboren, studierte an der Hochschule der Künste Berlin und arbeitete bei Jasper Morrison, Ron Arad und Michele De Lucchi, bevor er 1993 sein eigenes Büro unter dem Namen Studio Aisslinger in Berlin gründete. Aisslinger gilt als Visionär und Materialexperte – unter anderem mit Projekten wie der mobilen Wohncabin „LoftCube“ oder dem „Chair Farm“, ein als Pflanze gewachsener Stuhl. 
 

Bild © Steffen Jännicke





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